Warte nicht auf dein Geld! Wie du mit Factoring deine Rechnungen sofort zu Bargeld machst
…(und warum das kein Zeichen von Schwäche ist)
Ich wette, ihr kennt das Szenario: Ihr habt einen Top-Job abgeliefert. Die Ware ist beim Kunden, die Dienstleistung ist erbracht, der Kunde ist happy. Ihr schreibt stolz die Rechnung über, sagen wir mal, 20.000 Euro. Ein schönes Sümmchen.
Und dann? Dann passiert erstmal… nichts.
Unten auf der Rechnung steht nämlich: „Zahlbar innerhalb von 30 Tagen“. Oder wenn ihr mit großen Konzernen arbeitet, vielleicht sogar 60 oder 90 Tage.
Du hast die Arbeit gemacht, du hast deine Mitarbeiter bezahlt, das Material vorfinanziert – und jetzt spielst du Bank für deinen Kunden. Das nervt nicht nur, das ist brandgefährlich für deine Liquidität.
Genau hier kommt Factoring ins Spiel. Im letzten Artikel hatte ich es ja schon angeteasert. Heute zeige ich euch, warum das Verkaufen von Rechnungen der Turbo für euren Kontostand ist und warum ihr keine Angst davor haben müsst.
Was ist Factoring eigentlich genau? (Kein Bankendeutsch!)
Ganz simpel erklärt: Beim Factoring verkaufst du deine offene Forderung (die Rechnung an deinen Kunden) an eine Factoring-Gesellschaft (den „Factor“).
Statt 4 Wochen zu warten, bis Kunde Müller überweist, schickst du die Rechnungskopie an den Factor. Der überweist dir sofort (meist innerhalb von 24h) einen Großteil der Summe. Meistens sind das so 80% bis 90%. Den Rest behält er erstmal als Sicherheit ein, bis der Kunde Müller tatsächlich gezahlt hat (dann kriegst du den Rest abzüglich der Gebühr).
Im Grunde tauschst du „Geld in der Zukunft“ gegen „Geld jetzt sofort“ – gegen eine kleine Gebühr.
Das böse Vorurteil: „Das machen doch nur Firmen, die kurz vor der Pleite stehen!“
Lange Zeit hatte Factoring in Deutschland einen miesen Ruf. Man dachte: „Oje, der Meier muss seine Rechnungen verkaufen, dem steht das Wasser wohl bis zum Hals.“
Bullshit. Totaler Quatsch.
Heute nutzen kerngesunde Mittelständler Factoring als strategisches Tool. Warum? Weil Liquidität King ist.
Wenn du das Geld sofort hast, kannst du:
- Selbst Skonto ziehen: Wenn du deine Lieferanten sofort bezahlst, sparst du oft 2-3%. Das holt die Factoring-Gebühren oft wieder rein.
- Wachstum finanzieren: Du kannst sofort neues Material für den nächsten Auftrag kaufen, ohne auf den Zahlungseingang vom alten Auftrag zu warten.
Es ist also kein Zeichen von Schwäche, sondern von Smartness.
„Aber ich will nicht, dass meine Kunden das wissen…“
Das ist die größte Sorge, die ich immer höre. „Alex, was denken meine Kunden, wenn ich denen sage, sie sollen an eine Factoring-Bank überweisen?“
Hier ist die gute Nachricht: Es gibt das sogenannte Stille Factoring.
Dabei kriegt dein Kunde überhaupt nichts davon mit. Er überweist weiterhin auf ein Konto, das zwar technisch an den Factor verpfändet ist, aber nach außen wie dein Konto aussieht. Dein Kunde merkt null Komma null. Du hast die Kohle sofort, dein Image bleibt unberührt. Problem gelöst.
Der technische Kram (Wichtig zu wissen!)
Es gibt zwei Begriffe, die ihr kennen müsst, wenn ihr Angebote vergleicht. Lasst euch nicht von den Fachbegriffen blenden, es ist eigentlich einfach.
1. Echtes Factoring (Der Goldstandard)
Hier kauft der Factor die Rechnung und übernimmt auch das Ausfallrisiko (Delkredere).
Das heißt: Wenn dein Kunde Müller pleite geht und die Rechnung nie bezahlen kann, ist das nicht mehr dein Problem. Du darfst das Geld, das du vom Factor bekommen hast, behalten. Der Factor hat Pech gehabt.
Das ist quasi Finanzierung und Versicherung in einem Paket. Deswegen ist „Echtes Factoring“ auch die beliebteste Variante.
2. Unechtes Factoring
Hier kriegst du zwar auch das Geld sofort, aber das Risiko bleibt bei dir. Wenn Kunde Müller nicht zahlt, musst du das Geld an den Factor zurückzahlen. Das hilft zwar der Liquidität kurzfristig, schützt dich aber nicht vor Forderungsausfällen. Würde ich persönlich eher selten empfehlen, außer es ist extrem günstig.
Was kostet der Spaß?
Natürlich machen die Factoring-Anbieter das nicht aus Nächstenliebe. Die Kosten setzen sich meist aus zwei Bausteinen zusammen:
- Factoringgebühr: Für die Verwaltung und das Risikoübernahme (oft zwischen 0,5% und 2,5% vom Umsatz).
- Zins: Für die Zeit, die das Geld „ausgelegt“ wird (ähnlich wie beim Kontokorrent).
Rechenbeispiel:
Rechnung: 10.000 €
Gebühren gesamt: ca. 150 € – 200 €
Du erhältst sofort: ca. 8.000 € (Rest nach Zahlungseingang Kunde)
Klingt nach Kosten, ja. Aber wenn du mit den sofort verfügbaren 8.000 € beim Einkauf 3% Skonto ziehst (240 € Ersparnis), hast du am Ende sogar Gewinn gemacht durch das Factoring!
Für wen lohnt sich das?
Factoring ist nicht für jeden was.
Wenn du einen Kiosk hast und alles bar kassierst, brauchst du es nicht.
Wenn du aber im B2B-Bereich unterwegs bist, Rechnungen schreibst und lange Zahlungsziele hast (Handwerk, Produktion, Großhandel, Dienstleistung), dann ist es genial.
Besonders cool ist es für Startups und stark wachsende Firmen. Denn: Die Factoring-Linie wächst mit deinem Umsatz mit. Ein Bankkredit ist statisch (du hast 50k Limit und fertig). Beim Factoring gilt: Je mehr Rechnungen du schreibst, desto mehr Liquidität bekommst du. Das ist eine „atmende Finanzierung“.
Probieren geht über Studieren
Ich hoffe, ich konnte euch die Angst vor dem „Rechnungsverkauf“ ein bisschen nehmen. Schaut euch eure BWA an. Guckt auf die Position „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“. Wenn da dauerhaft ein hoher Betrag steht, dann liegt da totes Kapital rum. Totes Kapital, das ihr zum Arbeiten bringen könntet.
Macht euch schlau, vergleicht Angebote. Viele FinTechs bieten mittlerweile Factoring an, wo man auch nur einzelne Rechnungen verkaufen kann, ohne sich jahrelang vertraglich zu binden. Ideal zum Testen.