Wie viel Betriebsmittelkredit ist eigentlich gesund?

Die Frage klingt banal – ist aber eine der wichtigsten im Unternehmensalltag:
Wie viel Betriebsmittelkredit ist sinnvoll, ohne sich zu übernehmen?
Zu wenig – und das Unternehmen stolpert in die nächste Liquiditätsfalle. Zu viel – und die Zinslast frisst den Gewinn. Die gesunde Mitte zu finden, ist eine Kunst, die man lernen kann.


1. Der Ausgangspunkt: Liquiditätsplanung statt Bauchgefühl

Die Grundlage ist immer der Liquiditätsplan.
Ein sauberer Überblick über Einnahmen, Ausgaben, Zahlungsziele und saisonale Schwankungen.

Beispiel:
Ein kleines Handelsunternehmen mit 500.000 € Jahresumsatz und 60 Tagen Zahlungsziel seiner Kunden hat oft 80.000–100.000 € Kapital gebunden, das erst später zurückfließt.
Wenn gleichzeitig Lieferanten pünktlich bezahlt werden müssen, entsteht ein typischer Finanzierungssaldo von 15–20 % des Jahresumsatzes.

Daraus ergibt sich die Faustregel:

Der Betriebsmittelkredit sollte in der Regel zwischen 10 und 25 % des Jahresumsatzes liegen.


2. Zinslast realistisch einschätzen

Bei aktuellen Zinssätzen (Stand Herbst 2025) von durchschnittlich 6–8 % p.a. bedeutet ein Kredit von 100.000 € etwa 500–650 € Zinskosten pro Monat.
Klingt handhabbar – wird aber schnell gefährlich, wenn der Kredit dauerhaft läuft.
Empfehlung:
Betriebsmittelkredite sind kurzfristige Finanzierungen. Laufzeiten über 24 Monate machen nur Sinn, wenn stabile Rückflüsse garantiert sind oder eine klare Refinanzierung geplant ist.


3. Risikoquote: nicht mehr als 30 % Fremdkapital für Betriebsmittel

Ein zu hoher Anteil an kurzfristigem Fremdkapital macht abhängig.
Ein Richtwert, den viele Wirtschaftsprüfer nutzen:

Betriebsmittelkredite sollten nicht mehr als 30 % des Umlaufvermögens ausmachen.

Wer mehr Fremdmittel braucht, hat meist ein strukturelles Liquiditätsproblem – etwa zu lange Forderungslaufzeiten oder zu geringe Margen.


4. Reserve ja – Puffer nein

Ein häufiger Fehler ist, einen Kreditrahmen zu groß anzusetzen „für alle Fälle“.
Das klingt vernünftig, ist aber teuer. Denn ungenutzte Kreditlinien kosten oft Bereitstellungszinsen (0,25–0,5 % pro Quartal).
Besser: Kreditbedarf dynamisch anpassen – z. B. über eine rollierende Kreditlinie, die sich an realen Zahlungsströmen orientiert.


5. Gesund heißt planbar

Ein Betriebsmittelkredit ist gesund, wenn:

  • er durch zukünftige Einnahmen gedeckt ist,
  • seine Zinslast im Verhältnis zum Deckungsbeitrag steht,
  • und er nicht zur Dauerlösung wird.

Ein Kredit ist kein Ersatz für Rentabilität – er ist ein Werkzeug zur Stabilisierung.


Kurz, nüchtern, wichtig

Die gesunde Kreditsumme liegt dort, wo Liquidität gesichert ist, ohne die finanzielle Beweglichkeit zu verlieren.
Oder anders gesagt: Ein Betriebsmittelkredit sollte atmen können – nicht ersticken.